Samstag, 12. November 2016

Neunzehnuhrdreißig, Donnerstagabend

Es ist Neunzehnuhrdreißig. Ich war gerade zum dritten Mal am selben Tag duschen und danach zum geschätzt vierzig- bis fünfzigsten Mal rauchen. Entspräche es nicht meinen üblichen Gewohnheiten, würde ich behaupten mir Mut angetrunken zu haben. Wir haben uns vor ein paar Wochen in der Straßenbahn kennengelernt und es entspann sich ein reger schriftlicher Austausch. Das Gefühl, bereits beinahe alles über sie zu wissen, hängt in der Luft. Sie hat sich für heute selbst bei mir eingeladen. Zwei Flaschen trockener Rotwein stehen parat und der Gin Tonic ist mal wieder mein treuer Seelsorger in den Stunden innerer Aufregung. Ich geh' lieber nochmal duschen, sicher ist sicher.

Gerade als ich mir das dritte frische T-Shirt des Tages übergestreift habe, klingelt mein Telefon. Sie sei gleich da und ich solle sie bitte von der Haltestelle abholen. Ich kenne das Dilemma ohne zuverlässigen Orientierungssinn zu leben, also zieh' ich mich an und beginne mir, beim Herabsteigen der Treppe, eine Zigarette zu drehen. 

Beim Verlassen des Hauses bemerke ich zwei Dinge. Erstens, es ist wärmer, als ich es von einem Herbstabend erwartet hätte, also öffne ich die Jacke. Zweitens, ich hab schon gut einen sitzen.

Als ich die Haltestelle erreiche, kommt ihre Bahn an. Sie steigt suchenden Blickes aus und wir umarmen uns zur Begrüßung. Was folgt ist der übliche Small Talk, während wir zu meiner Wohnung gehen. Vor der Haustür fragt sie, ob wir erst noch eine rauchen wollen. Klar, wieso nicht?! Ich hab ja grade erst. Wir genießen die Herbstsonne, ehe wir hoch in meine Wohnung gehen. Ich öffne die Tür und nehme ihr die Jacke ab, um sie sorgfältig auf meinen Klamottenberg zu werfen. Dann führe ich sie durch meine Wohnung, was bei zwei Zimmern ziemlich zügig geht. Ich frage, ob sie etwas trinken möchte und kann ihr - tada! - trockenen Rotwein anbieten, als hätte ich es mir gemerkt und nicht in unseren Nachrichten nachgelesen. Ich schenke mir selbst auch ein Glas ein und wir stoßen an. Es folgt eine knappe Stunde weiteren Small Talks mit Tendenz zum Big Talk. Der Abend geht so dahin, die Musik dudelt im Hintergrund und wir reden und trinken und trinken und reden, bis die Flaschen sich geleert haben. Weil alles andere schon geschlossen hat, haste ich nochmal schnell zum Späti um die Ecke. Was sie in der Zeit allein in meiner Wohnung macht? Keine Ahnung. Sie wird schon kein Feuer legen.

Irgendwann sitzen wir dann mit den inzwischen nachgekauften Rotweinflaschen drei und vier nebeneinander auf dem Boden, als sie mich plötzlich zu sich heranzieht und mich küsst.

Das habe sie jetzt einfach tun müssen. 

Nach wenigen Augenblicken reißt sie mir die Brille von der Nase und schiebt sie übers Parkett ans andere Ende des Zimmers. Gut möglich, dass wir gerade ein Glasgefäß umgeworfen haben. Ob es eines der Gläser oder die halbvolle Flasche war? Egal. Wir liegen auf dem Boden, sie zieht mir mein Shirt aus und wirft es ungefähr in Richtung der Brille, während eine ihrer Hände meinen Kopf umklammert und die andere meinen Schritt massiert, lasse ich meine Hand unter ihre Bluse wandern, öffne mit der anderen die obersten Knöpfe und ziehe sie ihr über den Kopf aus. Sofort saugen sich ihre Lippen wieder an meine. Sie löst mit einer Hand meinen Gürtel und sieht mich schief an wegen der Button Fly Jeans, die sie mir gerade herunterzuzieht. Ich schaue an mir herab und schäme mich ein wenig für den Bierbauch mit Mitte Zwanzig. Sie tastet sich wieder an mir nach oben und küsst meine Brust, ihre Hand greift in meine Buxe. Ich bemerke die vielbeschworene, betäubende Wirkung des Alkohols. Naja, wird schon werden.

Ich drehe sie auf den Rücken und beginne zunächst ihren Hals zu küssen, umspiele ihre Brüste mit meiner Zunge und bahne mir meinen Weg nach unten, um sie nun ihrer Hose zu entledigen. 

So viel zu button fly, scheiß Skinny Jeans! 

Als diese Mammutaufgabe, unterbrochen von lautem Lachem, vollbracht ist, scheint meine Buxe wie von allein von meinen Beinen zu gleiten, während meine Hand durch ihren Slip das verheißungsvolle Land kartographiert. Nun wirft sie mich auf den Rücken und ich könnte schwören in Rotwein zu liegen, doch bevor ich weiter darüber nachdenken kann, umschließen ihre Lippen meinen Schwanz und ich beginne unweigerlich die Gin Tonics und die ungefähre Menge Wein zu schätzen. Zu viel, so viel wird mir jetzt klar. 

Ich flüstere ihr Verfluchungen auf den Alkohol ins Ohr, um ihr im selben Atemzug zu versichern, meine Zunge sei gelöst und meine Finger standhaft. Also fügt sie sich der bedingt aussichtslosen Situation, setzt sich vor mir auf und eröffnet mir den Pfad zum Venushügel. Die folgenden Stunden verbringe ich auf meinen Knien zwischen ihren Lippen pendelnd  und sie wird sie mir später, als wir eng umschlungen noch eine Zeit lang auf dem ausgekühlten Fußboden liegen, als aufregend schön schildern.

Nachdem wir das Konzept der Zeit wiederentdecken, bringe ich sie zum Bahnhof, wo wir gemeinsam auf den ersten Zug für sie aus der Stadt warten. Ob ich sie wiedersehen wollen würde, will sie von mir wissen und ich bejahe ihre Frage ohne Reue oder Scham für meine alkoholinduzierte Dysfunktionalität an diesem Abend.

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