"... der Zug endet hier.
Wir bitten alle Fahrgäste auszusteigen und freuen uns, Sie bald wieder in den
Zügen von DB Regio begrüßen zu dürfen."
Er steht auf und folgt ihr in
sicherem Abstand. Aus dem Zug. Über den Bahnsteig. Durch die Unterführung. Über
den kleinen Bahnhofsvorplatz. Sein Blick haftet auf ihr. Der Andere sitzt ihm
im Nacken. Sie sieht sich um, ihn an. Er vergräbt die Hände tief in den Taschen.
Guckt auf den Boden. Es ist schon lange dunkel. Die Bordsteine noch länger
hochgeklappt. Sie beschleunigt ihren Schritt. Er zieht nach. Hält weiter
Abstand. Holt eine Zigarette aus dem Etui. Verlangsamt seinen Schritt beim
Anzünden wieder. Der Rauch des ersten Zugs brennt in seinen Lungen. Er
unterdrückt ein Husten. Räuspert sich nur. Sie sieht wieder zu ihm zurück, ehe
sie die Straßenseite wechselt. Er inhaliert den Rauch, atmet aus, schielt zu
ihr rüber. Unterdrückt den Schrei des Anderen. Er beobachtet sie aus dem
Augenwinkel. Behält sie im Blickfeld. Bald kommen sie an einen Park. Ein Teil
von ihm hofft, dass sie den umgeht. Und der Andere treibt ihn immer weiter.
Ihre High Heels klackern auf dem
Pflaster, seine Turnschuhe geben bei jedem Schritt nur einen dumpfen Ton. Er
schnippt die Zigarette in den Rinnstein. Sieht den Stummel in einem Gully
verschwinden. Als er seinen Blick wieder hebt, ist sie verschwunden. Es
überrascht ihn, ärgert ihn, obwohl er es erwartet hat. Gehofft hat. Er bleibt stehen
und sieht sich hastig um. Sein Blut kocht. Und der Andere schreit wieder.
Treibt ihn weiter an. Er dreht sich auf der Stelle, bereit über die Straße zu
sprinten. Kneift die Augen zusammen, sucht nach Spuren ihres Wegs. Denkt an den
Park. Zweihundert Meter. Nur noch zweihundert Meter weiter hätten sie gemusst.
Der Andere versucht, die Ratio, die Beherrschung niederzuringen. Er geht ein
Stück zurück. Seine Augen scannen eine spärlich beleuchtete Gasse. Seine Ohren
lauschen ins Dunkel. Weit und breit kein Klackern mehr. Sie muss die Schuhe
ausgezogen, sich versteckt, zu schweben begonnen haben. Er geht auf die andere
Straßenseite, die Gasse entlang. Sein Blick tastet die Nacht ab. Sie darf nicht
einfach so weg sein. Er schaut nach links und rechts. Vielleicht kauert sie in
einem Hauseingang. Eine andere Straße quert die Gasse. Er dreht sich auf der
Kreuzung im Kreis, folgt den Anweisungen des Anderen weiter die Gasse entlang.
Sondiert weiter die Eingänge, lauscht nach dem Klackern, schwerem aufgeregtem
Atem. Nichts. Er fährt sich durchs Haar, reißt sich dabei ein Büschel aus.
Knackt mit den Fingerknöcheln. Er weiß, er sollte aufgeben, nach Hause gehen,
doch er will sie finden. Sie stellen. Der Andere wird ruhiger. Langsam, ein
wenig. Ergibt sich der Tatsache, heute keinen Fang zu machen.
Welche Ziele er sich gesetzt
habe, hatte der Therapeut gefragt. Was immer du hören willst. Einen Zug eher
fahren, um sie nicht wieder zu sehen. Nicht wieder getriggert zu werden.
Sicher, wieso nicht? Seine Hände hatten gezittert. Er hatte die Finger
verschränkt und wieder geöffnet, die Handflächen aneinander gerieben.
Endlich hat er etwas zum
Spielen. Er wiegt die Pillendose in der Hand. Ob sie ihm helfen? Natürlich. Er
sieht die drei vollen Dosen im Müll liegen. Er will die Chemie nicht mehr. Will
kein Hummer mehr sein. Unsterblich, bis das Innere so stark gegen den Panzer
drückt, dass es ihn selbst zerquetscht. Der Andere bricht ihn auf. Die Dose
klirrt im Mülleimer. Noch ein Mal. In der Gasse kurz vorm Park, wo sie letzte
Nacht entkommen ist. Noch ein Mal. Der Andere sitzt ihm im Nacken. Applaudiert.
Noch ein Mal.