Montag, 31. Oktober 2016

Generation Copy-Paste



generation copy-paste, generation nebenjob

das phänomen ist gut erforscht, und doch wir leben noch

wir tragen briefe aus, machen telefondienst und penn' am kopierer

wir leiden noch von gestern unter nachwehen von beck's und tequila

die barfrau war wieder die schönste im ganzen laden denn sie hat was wir wollen

bietet alles, was wir jemals gesucht haben, und wir gehen in die vollen

verprassen unser ganzes guthaben, schmeißen fuffies durch den club

in unserm fall isses hartgeld, aber die leute haben wieder nich schlecht geguckt

schlafen kannste, wenn du tot bist, heute feiern als gäb's kein morgen mehr

und als würden wir uns freuen welche zu haben folgen wir dem aufruf "throw your hands in the air!"

und dann steht sie da die lose zusammenrottung trinkfreudiger mittzwanziger

wann das böse erwachen oder der leberschaden kommt, weiß man nich ganz sicher

klar is nur wir gehen nich' feiern um seelenverwandte oder neue freunde zu finden

sondern um 'nen stich zu landen oder sich zumindest nich allein zu betrinken

freundschaft is inzwischen ja sowieso ne weit gefasste begrifflichkeit

mit fünfzehn sechzehn hatten wir alle noch kein facebook, ich zumindest vermiss die zeit

damals konnt' man kontakte gegebenenfalls auch einfach so noch ganz schnell abbrechen

konnt man sich nich mehr in die augen sehen nachm rückwärts essen auf irgendwelchen parkplätzen

wir sind nich halb so alt wie verbraucht, aber jünger als wir nach langen nächten aussehen

und vom opa ham wir zumindest noch gelernt es lohnt nich wenn wir für nen endsieg draufgehen

und so gerät die politische bühne für uns neben karriere nur zu einem weiteren nebenschauplatz

man hat auch echt größere probleme, wenn man verkatert auf nem provinzbahnsteig aufwacht

Kalte Finger - Kalte Füße



es beginnt wie's endet, mit kalten fingern kippen drehen
siehst du da hinten am horizont die lichter stehen
nich' die sterne, alles wolkenverhangen, nix zu sehen
ich mein die reihenhaussiedlung und ihr lichterleben
lass uns hier aufm balkon noch einen letzten drink heben
wir wissen doch es hält nich ewig, lass uns mitnehmen
was möglich is, bevor's zu schnell wieder vergeht
wir sind zu verschieden als das ne chance für liebe besteht
sind zu gleich als das man sich wirklich versteht
haben zu wenig konto als das es immer wieder ginge
es war gut wie's hätte sein könn', doch es ist wie's ist, keine liebeshymne
viel zu oft verloren gegangen in elendig langen, oft nur flachen gesprächen
und doch hab ich jedes mal, immer wieder wirklich alles gegeben
um un'sre gemeinsame lüge am laufen zu halten
und jetzt bittest du mich rein. raus aus dem kalten
spielst das alte spiel vom alles klärenden versöhnungsfick
doch heut nich', nich' mit mir und alles weit're erübrigt sich
also leg ich los, spiel mich auf
das ich dich will, doch nich' brauch
kenn die fragen selbst nich', fall schnell ins wort
doch will antworten von dir, jetzt sofort
hör was du sagst, versteh nicht was du meinst
treib das spiel solang bis du wieder weinst
ich aufspring und die jacke überstreif


zieh durch die straßen, geplagt von übelkeit
brüll den mond an, box laternenmasten
will den stromschlag vom pissen am verteilerkasten
lauf weiter immer weiter, so weit die füße tragen
nur weg von dir, weg von mir, so weit die füße tragen
komm nich los von dir, doch's wird nie blüten tragen
hass nich dich, hass nur mich in diesen tagen
und lauf weiter immer weiter so weit die füße tragen
und eigentlich wollt ich dir ja noch so viel sagen
doch find die worte nie im richtigen moment
kümmer mich nich drum was die welt von mir denkt
so lang ich offensichtlich nich in deinen standard pass
sah in dir mein ein und alles keinen billigen absatzmarkt
doch das is egal weil ich wohl nie in deinen standard pass
würd ich endlich die worte finden, würd ich noch so viel sagen
stattdessen lauf ich weiter richtung morgen so weit die füße tragen

Scheinwelt



ich leb' über meine verhältnisse
crack, koks, nutten, aber muss ich ja selbst wissen
denn schließlich bin ich ja erwachsen verdammt
und nutz' die möglichkeiten des gesamten verstands
denn ich hab schon seit langem erkannt
alles hier steht im zeichen des schnöden mammon
die welt ist gefärbt von ihm und ich hab 'ne böse ahnung
er wird uns alle hier einst noch zugrunde richten
er schafft obere, mittlere und unt're schichten
unsere heilige schrift wird gedruckt vom kontoauszugautomaten
da bleibt kein platz für träume wie 'nen brontosaurus zu versklaven
die nebenkostenabrechnung zeigt einem da schon die grenzen auf
entweder sie ist nebensacheoder man zittert halt wie espenlaub
aber villeicht seh ich's ja falsch hier am unt'ren ende der nahrungskette
so wie ich die erleichterung durch stuhlgang nicht verstünde, wenn ich keinen anus hätte
ich geb auch zu, weil es so wunderschön anzusehen ist, lieb' ich buntes scheingeld
doch alles, was wir damit geschaffen haben, ist eine dumpfe scheinwelt
ich weiß, wer mit zwanzig kein sozialist ist, hat kein herz, doch den zweiten teil hab ich vergessen
wie dem auch sei, zu behaupten geld sei von grundauf böse, halt ich für reichlich vermessen
es hat kein' charakter oder gewissen, ist doch nur ein menschgeschaff'nes ding
es spiegelt, was wir sind und tun, nur schade, dass ich auch teil der menschenaffen bin
also kauf ich meinen alkohol im angebot auf vorrat und mein essen nach bedarf
man muss ja schließlich auch wissen, wie man mal 'n bisschen spart
und so zieh ich pennern im park pfandflaschen ab, man muss ja wissen, wie mans geld zusammenhält
was willste machen, wir leben nunmal in einer gülden, funkelnden dukatenwelt
ich kann so viele steine schmeißen, wie ich will, die welt macht weiter wie gehabt
und selbst wenn nicht, noch immer nimmt die revolution am ende ihre kinder leider mit ins grab
dabei will ich einfach nur nicht nach unten treten und nach oben buckeln
ich will doch einfach nur nutten quälen und mit hunden kuscheln
NEIN! WARTE! QUATSCH! ich mein das natürlich andersrum
oder warte ma stop! naja, fuck it! irgendwas war da mit dem lazarus

Widerspruch



ich bin ziemlich jung aber doch ganz schön alt
ziemlich idealistisch aber doch ganz schön abgebrüht
ziemlich clever aber doch ganz schön dumm
ziemlich engagiert aber doch ganz schön faul
man könnt sagen ich leb im widerspruch mit mir selbst
aber da gehts mir wohl auch nur wie der welt
ich halt mich für ne schneeflocke und doch nich für besonders
glaub an gottgleiche existenzen bin doch nich religiös
lieb meinen führerschein fahr doch lieber rad
lieb ordnung räum doch nich auf
man könnt sagen ich leb im widerspruch mit mir selbst
aber da gehts mir wohl auch nur wie der welt

ich trink' gern bin doch lieber nüchtern
hätt gern mehr zeit für freunde bin doch lieber allein
lieb tanzbare musik steh doch lieber in der ecke
will gesicherte verhältnisse bin doch lieber frei
man könnt sagen ich leb im widerspruch mit mir selbst
aber da gehts mir wohl auch nur wie der welt
ich mach gern sport lauf doch auf der stelle
steh auf freie marktwirtschaft wähl doch nich fdp
mir gefällt die kommunistische idee glaub doch nicht dran
mag die sonne lieg doch lieber auf der couch
man könnt sagen ich leb im widerspruch mit mir selbst
aber da gehts mir wohl auch nur wie der welt