Sonntag, 2. Juli 2017

Schallmauer



Ich sitze am Bahnsteig und warte auf meinen Zug. Ich muss weg aus dieser Stadt, diesem Land, diesem Leben und seinem Trott. Er müsste jeden Moment kommen, die Flasche ist fast leer, die Schachtel auch.

Früher saß ich oft hier und hab auf den Zug gewartet, um auf Arbeit zu fahren oder mich mit Freunden zu treffen, die alle längst in die große Stadt ein paar Kilometer südlich gezogen sind. Damals sind wir oft zusammen dahin gefahren. Anfangs mit dem Zug, später mit dem Auto. Irgendwann war ich dann einzige von uns im Zug. Jetzt sitz ich wieder allein hier und warte. Ich will mich nicht mit ihnen treffen, ich warte nur. Er müsste jeden Moment kommen, das Signal steht schon auf gelb. Ich bin lange nicht mehr Zug gefahren und eigentlich hab ich auch heute keinen Grund. Hab hier in der Stadt einen Job und die Freunde von damals längst einen nach dem anderen verprellt.

Ich denke wieder darüber nach, was in letzter Zeit, den letzten Jahren, falsch lief bei mir. Ich trinke den letzten Schluck und schnippe den Kippenstummel ins Gleisbett. Das Signal springt auf grün. Ich bin allein hier. Die Ansage kündigt die Durchfahrt eines Zugs an. Ich stehe auf und stelle mich zwischen Bahnsteigkante und die weiße Markierung. Ich blicke nach links und rechts. 

Das Surren in der Oberleitung kündigt jetzt ganz deutlich den Zug an und dann erscheint er schon aus der Kurve. Erst die Lok, gefolgt von den Waggons. Ich schließe die Augen und warte bis das Surren und Rattern die einzigen Geräusche werden.  Ich kann die Mauer aus komprimierter Luft, die er vor sich herschiebt, schon spüren. Nur noch ein paar Sekunden. Er hupt, mein Zug.

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